Aus dem BGM-Special

Wie die Suva Prävention, Gesundheit und Kultur generationengerecht gestaltet

Altersdiversität ist kein Risiko, sondern ein Potenzial. Die Suva zeigt, wie generationenübergreifende 
Zusammenarbeit zu mehr Motivation, Wissenstransfer und Gesundheit im Unternehmen führt – und wie Führung, Kultur und Prävention dabei zusammenspielen.

Unsere Arbeitswelt verändert sich rasant – technologisch, organisatorisch, aber auch demografisch. Unterschiedliche Generationen treffen zunehmend im Arbeitsalltag aufeinander. Was für manche nach zusätzlichem Koordinationsaufwand klingt, ist für die Unfallversicherung Suva ein klarer Gewinn: Altersdiversität sieht sie nicht als Hürde, sondern als Ressource. Sie nutzt diese Vielfalt aktiv – in ihrer Führungskultur, im betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) und in der gelebten Präventionskultur. 

Nicole Bamert, Expertin Kultur- und Führungsentwicklung bei der Suva, bringt es auf den Punkt: «Wie viele andere Unternehmungen ist die Suva davon überzeugt, dass divers zusammengesetzte Teams zufriedener, motivierter und produktiver sind.» Diese Überzeugung beruhe nicht nur auf wissenschaftlichen Studien, sondern auf konkreten Erfahrungen aus dem Alltag: In altersdurchmischten Teams sei die Bereitschaft zur gegenseitigen Unterstützung oft höher, Aufgaben werden aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und Probleme kreativer gelöst.

Strategische Altersdurchmischung – von Anfang an


Bereits bei der Rekrutierung achtet die Suva bewusst auf altersgemischte Teams. Dabei spielen sowohl junge Berufseinsteigende als auch erfahrene Mitarbeitende eine wichtige Rolle. «Die Suva verfügt bereits seit Jahren über eine gewisse Altersdiversität. Dies, weil wir uns gleichzeitig für die Nachwuchsförderung und die Einstellung erfahrener Personen einsetzen», so Bamert. Letztere bringen nicht nur Fachwissen mit, sondern auch Routinen, Netzwerke und Lebenserfahrung – Werte, die in der heutigen, oft schnelllebigen Arbeitswelt stark gefragt sind.

Ein Beispiel: Es sei zentral, dass Mitarbeitende Risiken richtig einschätzen. Ältere Kolleginnen und Kollegen geben ihr Erfahrungswissen weiter – etwa im Umgang mit gefährlichen Arbeitsprozessen – während Jüngere durch ihre Schulung auf dem neuesten Stand sind, zum Beispiel bei digitalen Sicherheitstools. Diese Ergänzung führt zu mehr Sicherheit für alle.

Auch Suva-intern werde die Altersvielfalt aktiv gepflegt. In vielen Teams arbeiten jüngere und ältere Mitarbeitende eng zusammen. «Wir porträtieren auch immer wieder solche Teams intern, um Vorbilder für andere zu stiften», ergänzt Bamert. Dies sei Teil einer breiteren Kultur der Sichtbarkeit, in der Diversität nicht nur akzeptiert, sondern auch gefeiert werde.

Wissenstransfer statt Silodenken


Wie kann der Austausch zwischen den Generationen konkret gefördert werden? Für die Suva ist das kein «Nice-to-have», sondern ein zentrales Element ihrer Personalentwicklung. «Ein stärkenorientierter Fokus hilft uns. Wir fragen uns bewusst, über welche Stärken eine Generation verfügt und von welchen eine andere Generation profitieren kann», erklärt Bamert. Dieser Fokus bedeute auch, stereotype Denkmuster aufzubrechen: Jüngere gelten nicht per se als technikaffin, Ältere nicht automatisch als langsam. Vielmehr werde gezielt geschaut, wer was mitbringt – unabhängig vom Geburtsjahrgang.

Ziel sei eine Unternehmenskultur, in der sowohl junge wie ältere Mitarbeitende ihr Potenzial entfalten können – und voneinander profitieren. Die Generation Z soll ermutigt werden, sich vom ersten Tag an mit Ideen einzubringen. Gleichzeitig sollen langjährige Mitarbeitende neugierig bleiben und ihr Wissen teilen können. «Hier ist es wichtig, eine vorurteilsfreie Kultur zu schaffen», so Bamert. Das gelingt durch gezielte Formate wie generationenübergreifende Tandems, gegenseitiges Mentoring oder gemeinsame Projektverantwortung.

Gesundheitsförderung generationengerecht gedacht


Auch im betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) wird Altersdiversität systematisch berücksichtigt. Martin Degen, Leiter BGM bei der Suva, betont: «Eine Verallgemeinerung des Gesundheitszustandes nach Alter greift zu kurz. Vielmehr gibt es unterschiedliche Lebensumstände, die sich auf die (psychische) Gesundheit auswirken.» Diese Umstände reichen vom Berufseinstieg über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bis zur Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger. Besonders herausfordernd sei die sogenannte «Sandwich-Generation», die sich gleichzeitig um Kinder und Eltern kümmern muss – und dabei oft an persönliche Grenzen stösst. 

Das Suva begegnet diesen Belastungen mit präventiven Angeboten wie flexiblen Arbeitszeitmodellen, psychosozialer Beratung und gezielten Gesundheitsangeboten. «Welche Angebote konkret passen, kann eine Auswertung des Gesundheitszustandes nach Altersgruppen ergeben», erklärt Degen. Wichtig sei aber auch das Gespräch vor Ort – insbesondere in kleineren Teams, wo keine statistischen Auswertungen möglich sind, aber der direkte Draht zählt.

Führung als Schlüsselfaktor


Führungskräfte sind bei der Suva nicht nur für Ergebnisse zuständig, sondern auch für das soziale Klima in ihren Teams. Eine inklusive Führung ist deshalb essenziell – gerade in altersdiversen Gruppen. «Unsere Führungskräfte wurden bereits früher zu ‹unconscious bias› geschult», erklärt Nicole Bamert. Ziel ist es, unbewusste Vorurteile zu erkennen – etwa gegenüber sehr jungen oder älteren Teammitgliedern – und sich aktiv mit ihnen auseinanderzusetzen. Das neue Führungsverständnis basiert auf fünf Dimensionen: Achtsamkeit, Orientierung, Vertrauen, Ambition und Weiterentwicklung. Diese Haltung bildet die Grundlage für ein modernes, generationenfreundliches Miteinander im Arbeitsalltag.

Präventionskultur: Vielfalt sichtbar machen


Bruno Guscioni, Präventionsberater bei der Suva, hebt hervor, wie wichtig eine gelebte Präventionskultur im Kontext der Altersdiversität ist: «Arbeitsprozesse werden komplexer, die Eigenverantwortung nimmt zu. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, braucht es mehr als Checklisten.» Prävention müsse zur Selbstverständlichkeit werden – und das funktioniere nur mit einer Unternehmenskultur, die von allen getragen wird.

Die Suva arbeitet dabei mit einem sechsdimensionalen Modell der Präventionskultur, das gezielt auch die Altersvielfalt berücksichtigt:

 

 

  1. Werte und Regeln: Gemeinsame Normen und Sicherheitsverständnis, auch bei verschiedenen Auffassungen zum Beispiel zum Risikoverhalten.
  2. Kommunikation: Altersgruppen haben unterschiedliche Kommunikationspräferenzen. Transparenz, Feedback und Wertschätzung sind jedoch generationsübergreifend zentral.
  3. Führung: Führungspersonen müssen Altersstereotype abbauen und gegenseitigen Respekt fördern.
  4. Lernen: Ältere bringen Erfahrung ein, Jüngere neue Perspektiven. Eine positive Einstellung gegenüber Altersvielfalt fördert den Wissensaustausch.
  5. Verantwortung: Mitarbeitende sollen Verantwortung für sich und andere übernehmen. «Sie müssen zum Beispiel ‹Stopp!› sagen können», betont Guscioni.
  6. Betriebliche Organisation: Rahmenbedingungen müssen so gestaltet sein, dass sie alle Altersgruppen einbeziehen und stärken.

Esther Bühlmann, Präventionsfachfrau, unterstreicht: «Gruppenleistungen in altersdiversen Teams sind höher, wenn die Gruppenmitglieder positive Einstellungen gegenüber Altersdiversität haben.» Daher gehe es auch darum, diese Vorteile sichtbar zu machen und wertzuschätzen – etwa durch gezielte Kommunikationsformate, teaminterne Reflexionen oder Führungsschulungen.

Vielfalt als Haltung, nicht als Etikett


Wie die Aussagen der vier Fachleute zeigen, zeichnet sich die Suva über einen ganzheitlichen Umgang mit Altersdiversität aus: von der Personalgewinnung über Führung und Gesundheit bis hin zur Prävention. Dabei geht es nicht darum, Differenzen zu nivellieren, sondern darum, unterschiedliche Stärken zu nutzen – und Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen sich alle Generationen einbringen können. «Vielfalt bereichert – und das ganz allgemein, nicht nur in Bezug auf das Alter», sagt Nicole Bamert. Diesen Leitsatz lebt die Suva – und zeigt damit, wie Altersvielfalt zur Ressource für gesunde, produktive und zukunftsorientierte Arbeitswelten werden kann.

 

Workshop an der BGM-Tagung


Die Suva teilt ihre Erkenntnisse nicht nur intern, sondern auch mit anderen Organisationen. An der nationalen BGM-Tagung am 26. August 2025 in Bern veranstaltet sie einen interaktiven Workshop. «Wir diskutieren relevante Fragen wie zum Beispiel.: Wie gestalten wir Kommunikation so, dass sie verschiedene Altersgruppen anspricht? Wie fördern wir das Lernen voneinander?», beschreibt Bühlmann den Inhalt. Ziel ist es, gemeinsam mit den Teilnehmenden praxisnahe Strategien zu erarbeiten, die sie in ihre eigenen Betriebe mitnehmen können. Der Austausch mit anderen Fachpersonen fördert neue Perspektiven und zeigt auf, dass Altersdiversität weit mehr ist als ein HR-Schlagwort.

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Daniel Thüler

Daniel Thüler, Chefredaktor HR Today, daniel.thueler@hrtoday.ch

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