Leadership

Ohne Leadership kein Innovationserfolg

Wie entscheidend Leaderqualitäten in der Unternehmens- 
und Menschenführung sind, lässt sich an den drei Haupt-phasen eines Innovationsprozesses exemplarisch verdeutlichen. 
Sie geben Aufschluss über die geforderten Leader-Profile der involvierten Akteure. HR-Verantwortliche nicht ausgenommen.

Leaderpersönlichkeiten sollten nicht nur über solide Managementqualitäten in der Planung, Organisation und Kontrolle verfügen. Ebenso zentral sind Aspekte wie Motivation, Inspiration, Kommunikation, Kooperation, Konfliktlösung und nicht zuletzt innovationsgetriebene Visionen.

Innovationsprozesse lassen sich in drei Hauptphasen mit jeweils drei Unterphasen gliedern. Gegenstand der Innova-tionsaktivitäten können neue Produkte oder Dienstleistungen sein, aber auch neue innerbetriebliche Verfahren und Prozesse. Nicht zu vergessen sind Innovationen im Humanbereich von Institutionen – die oft unterschätzten «Sozial-innovationen» wie neue Bildungs-, Arbeitszeit- und Vergütungssysteme etc. Gerade hier eröffnet sich für HR-Spezialisten und HR-Manager ein innovatives Tätigkeitsfeld.

Der folgende Text gilt für alle drei Innovationsarten. Im Vordergrund stehen aber in jedem Fall die Anforderungen an das Profil der Akteure – ein zentraler Bezugspunkt für das HRM, wenn es um die systematische Gewinnung, Entwicklung und Erhaltung von Talenten geht.

Ideengenerierung: Neue Ideen erarbeiten

Die erste Hauptphase eines Innovationsprozesses besteht in der Ideengenerierung. Sie wird in folgende drei Teilphasen unterteilt: 1. Suchfeldbestimmung, 2. Ideenfindung und 
3. Ideenvorschlag.

Für die erste Teilphase der Suchfeldbestimmung sind beim Leader strategische Fähigkeiten gefragt: Wo besteht Neuerungsbedarf und welche Wettbewerbsvorteile sind auf den relevanten Märkten mit den verfügbaren Ressourcen anzustreben?

Derart strategisches Denken zeichnet Leader aus, aber sie sollten es auch verstehen, weitere Mitarbeiterkreise in die strategische Analyse einzubeziehen.

In der Teilphase der Ideenfindung vollzieht sich ein kreativer Prozess. Der Leader muss sicher nicht alle neuen Ideen selbst hervorbringen. Aber er gibt kreativen Personen aller Fachrichtungen den notwendigen Freiraum und wehrt bürokratische Einengungen ab.

In der dritten Teilphase, dem Ideenvorschlag, sind wiederum andere Leadership-Qualitäten nötig.

Erfolgskritisch sind dabei der richtige Zeitpunkt, die nützliche Form der Darstellung und die Bildung der wirkungsvollen Koalitionen für die Präsentation der neuen Ideen. Dazu ist Organisationsintelligenz erforderlich. Ein Vorschlag zur ungünstigen Zeit an die nicht aufnahmebereiten Instanzen kann bereits zum Abbruch des Innovationsprozesses führen.

Ideenakzeptierung: Neue Ideen prüfen

Im positiven Fall lebt die neue Idee weiter und gelangt in die zweite Hauptphase der Ideenakzeptierung. Diese wird ebenfalls in drei Teilphasen unterteilt: 1. Prüfung der Idee, 2. Erstellung von Realisationsplänen, 3. Entscheidung für einen zu realisierenden Plan.

Umsichtige Leader sorgen in der ersten Teilphase für die umfassende Prüfung der Idee. Diese Analyse kann sich auf technische, wirtschaftliche, rechtliche oder personelle Aspekte der Machbarkeit eines Innovationsantrages beziehen. Jede neue Idee stirbt, falls in dieser Teilphase nur die Risiken und nicht die Chancen geprüft werden. Der Leader sucht die geeigneten Prüfer aus und definiert wichtige Prüfkriterien.

Wenn die neue Idee den Prüfungsvorgang übersteht, folgt die nächste Teilphase mit der Erstellung von Realisa-tionsplänen. Dafür werden Menschen mit ausgeprägtem Vorstellungsvermögen benötigt. Sie sollen in konstruktiver Weise Varianten für das neue Produkt, Verfahren oder die Sozialinnovation planen. Nach der Analyse in der vorgängigen Teilphase ist dabei die Synthese, das passende Zusammenfügen der Komponenten der Neuheit, gefragt.

Danach gelangen die besten Alternativen zur letzten Teilphase, nämlich der Entscheidung für einen zu realisierenden Plan. Hier ist unternehmerischer Mut die wichtigste Qualität des Leaders. Jede Innovation enthält Risiken: Wird das Neue technisch gelingen? Werden die erforderlichen Investitionen in angemessener Zeit zurückfliessen? Werden die Adressaten diese Innovation akzeptieren etc.? Solche Entscheidungen unter Unsicherheit sind gewiss nicht leichtfertig zu treffen. Ohne eine Vision von der Zukunft des Unternehmens und eine gefestigte Wertebasis gepaart mit Zuversicht kann keine tragfähige Entscheidung gefällt werden. Für die zielführende Argumentation in Entscheidungsgremien braucht der Leader gruppendynamische Sensitivität und viel Überzeugungskraft. Daher ist die Fähigkeit zur Lösung von Konflikten unabdingbar.

Ideenrealisierung und Erfolgsbeurteilung

Nach Absolvierung des hindernisreichen Parcours der ersten beiden Hauptphasen mündet der Innovationsprozess in seinen dritten Akt: die Ideenrealisierung. Auch sie wird wiederum in drei Teilphasen unterteilt: 1. Verwirklichung der neuen Idee, 2. Adressierung an die überzeugendsten Distributoren, 3. Akzeptanzkontrolle.

Bei der Teilaktivität der konkreten Verwirklichung der neuen Idee schlägt die Stunde der «Machertypen». Ein Sinn fürs Praktische und die Bereitschaft zur Anpassung der Pläne zwecks Verbesserung der Erfolgschancen sind gefragt.

Wenn die neue Idee ganz konkrete Formen angenommen hat, muss sie an die Adressaten abgesetzt werden. Nun sind Kommunikationsfähigkeiten in hohem Masse erforderlich. Ein guter Leader hat selbst diese Kompetenz, zumindest findet er die überzeugendsten Distri-butoren für die frisch geborene Innovation. Mit Beharrlichkeit sind nicht nur die frühen Pioniere unter den Innovationsadressaten zu gewinnen, sondern sukzessive immer weitere Kreise. Eine Innovation ist kein Selbstzweck.

Daher findet abschliessend eine Akzeptanzkontrolle statt: Im Soll-Ist-Vergleich ist zu prüfen, ob die Pläne und Hoffnungen sich weitgehend erfüllt haben. Sind Anpassungen erforderlich? Oder gar eine spätere Beendigung des gesamten Innovationsvorhabens, weil sich die erwarteten Nutzen nicht im gewünschten Ausmass ergeben haben?

Schlussfolgerungen

Diese kurze Darstellung des Innovationsprozesses (ohne Rückkoppelungsschleifen) verbunden mit knapp skizzierten Anforderungsprofilen der Prozessbeteiligten zeigt:

  • 
Im erfolgreichen Innovationsprozess sind viele Talente erforderlich. Eine Einzelperson kann nicht alle Fähigkeiten aufweisen. Diversität ist nützlich. HR-Manager tragen eine Mitverantwortung für das Talentmanagement. Entsprechend den erwähnten Anforderungen sind talentierte Personen zu gewinnen, zu entwickeln und zu erhalten.
  • 
Der Leader muss den identifizierten und entwickelten Talenten die nötigen Handlungsspielräume geben. Das ist einer der wichtigsten Anreize.
  • 
Der Leader bringt an den entscheidenden Stellen des Gesamtprozesses die richtungsweisenden und treibenden Impulse ein und erfüllt somit eine wichtige Promotorenrolle für den Innovationsprozess. Das Promotorenkonzept ist sehr solide erforscht: Wir brauchen das Zusammenspiel von Legitimations-, Fach- und Prozesspromotoren.
  • 
Der Leader auf Geschäftsleitungsebene übernimmt die Legitimationspromotorenrolle. Er überwindet hierarchische Barrieren und stellt die Ressourcen zur Verfügung. Fachpromotoren können in allen betroffenen Abteilungen gefunden werden. Die HR-Abteilung  sollte dabei immer ihr Know-how im Fachgebiet Talentmanagement einbringen.
  • 
Falls es um Sozialinnovationen geht, ist die HR-Abteilung in besonderem Masse gefordert. Hier ist sie der primäre Fachpromotor. Ein HR-Manager treibt den Innovationsprozess als Prozesspromotor (Projektleiter) voran. Deshalb sollte der oberste HR-Manager auch Leaderqualitäten haben und als Legitimations-promotor bei Sozialinnovationen wirken können.
  • 
Leader (und unternehmerische HR-Manager) sind keineswegs nur Meister der Routine, sondern sie wagen auch neue Pfade. Dabei überwinden sie Barrieren des Nicht-Könnens, Nicht-Wollens und Nicht-Wagens. Sie setzen positive Energien in ihrem mitarbeitenden und mitdenkenden Umfeld frei. Ohne Leadership gibt es keinen Innovationserfolg.

Literatur

  • Siehe das gesamte Kapitel «Ideenmanagement» in: 
Steiner, Reto / Ritz, Adrian (Hrsg.): Personal führen und Organisationen gestalten, Bern u. a. 2012, S. 65–143. Personelle Aspekte finden sich u. a. auf den Seiten 106 und 133f.
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Prof. Norbert Thom war über 40 Jahre in der Forschung und Lehre tätig (Köln, Giessen, Fribourg, Bern). Heute nimmt er in Verwaltungs­räten (YPSOMED, ­REHAU Gruppe) auf oberster Stufe Ver­antwortung für ­HR-Themen wahr.

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