Auf den Schock folgt Unsicherheit bei Unternehmen und Angestellten

Ein Monat nach dem Entscheid der Nationalbank, den Euro-Mindestkurs aufzugeben, ist der erste Schock für Politik und Wirtschaft zwar vorbei. Doch die Unsicherheit bleibt. Einige Unternehmen reagieren mit Abbau und Einsparungen.

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Bern (sda). Am 15. Januar gab die Schweizerische Nationalbank (SNB) überraschend bekannt, dass sie den mehr als drei Jahre lang mit allen Mitteln verteidigten Euro-Franken-Mindestkurs von 1.20 Franken per sofort aufgeben würde. Wirtschaft und Politik stellten im Schock umgehend Forderungen. Der Kurs des Euro zum Franken sauste in die Tiefe.

Der Schock ist inzwischen abgeklungen, die grosse Kostendifferenz zwischen Franken- und Euroraum aber unverrückbar da. Yvan Lengwiler, Nationalökonom an der Universität Basel, fordert «ein Bewusstsein für die grossen anstehenden Herausforderungen». Die Sozialpartner sollten gemeinsam agieren und nicht auf Konfrontationskurs gehen.

Unternehmen reagieren schnell

Vorweg exportorientierte Unternehmen gingen inzwischen zur Sache und kündigten Stellenabbau oder Lohnsenkungen an: «So schnelle Reaktionen sind verständlich angesichts des massiven Kostenschocks für Firmen, die in Euro verkaufen», sagt Lengwiler. Auch Gesuche für Kurzarbeit wegen des hohen Frankens wurden bereits eingereicht.

Grossverteiler wiederum senkten Preise und ernteten damit Lob vom Preisüberwacher. Skistationen reagierten mit für Gäste aus Euro-Ländern vorteilhafteren fixen Wechselkursen. Für Lengwiler ist das keine Lösung: «Das führt unmittelbar zur Entwicklung eines Schwarzmarktes. Auch Schweizer würden mit billigen Euro bezahlen.»

Skiorte greifen auch zu Rabatten oder Mehrwerten. Es fragt sich, wie lange sie diese bieten können ohne an Substanz zu verlieren – oder ob sie den Verlust mit mehr Gästen wettmachen können. Preisabschläge lohnten sich längerfristig nur, wenn parallel auch die Löhne gesenkt werden könnten, sagt Lengwiler. «Das ist nicht einfach.»

Gelegenheit für bekannte Forderungen

Auch für Andreas Züllig, Präsident von hotelleriesuisse, sind fixe Kurse und Sparen keine gangbaren Wege: Vielmehr müssten die Hotels ihre Qualität halten und die Ferienregionen ihr Marketinggeld gezielt einsetzen, verlangte er vor kurzem in einem Gespräch mit Schweizer Radio SRF. Die Branche müsse sich selber helfen.

Für andere war der SNB-Entscheid Gelegenheit, bekannte Forderungen neu in die politische Diskussion einzubringen. Genannt wurden das Vorantreiben der Unternehmenssteuerreform III, ein Einheitssatz für die Mehrwertsteuer oder ein Abbau bei Gebühren und Regulierungen.

Die Umsetzung dieser Forderungen könnte zwar zu einer Senkung des administrativen Aufwandes für Firmen und damit zu tieferen Kosten beitragen, stellt Lengwiler klar. Doch mit der Aufgabe des Mindestkurses hätten sie nichts zu tun. Kurzfristig könnten diese Massnahmen nicht wirken, weil sie Gesetzesänderungen bedingten.

Als «relativ gefährlich» beurteilt Lengwiler die Situation der Pensionskassen; die Versicherten könnten langfristig Verluste erleiden. «Der dritte Beitragszahler neben Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist die Rendite am Kapitalmarkt», sagt er. Sei die Rendite wegen der tiefen Zinsen tief, werde das zum Problem für die kapitalgedeckte Vorsorge.

«Euro wird volatil bleiben»

Auch die Auswirkungen von noch zunehmenden Negativzinsen liessen sich schlecht abschätzen: «Wenn die Zinsen deutlich unter Null fallen, werden sich Kleinsparer überlegen, ihr Geld bar in einem Bank-Schliessfach zu deponieren statt ein Konto führen zu lassen. Dasselbe können institutionelle Anleger auch tun, wobei auch die Kosten für Versicherung zu berücksichtigen sind.»

Und wie wird sich der Euro-Franken-Kurs entwickeln? UBS-Währungsstratege Constantin Bolz erwartet in den nächsten Monaten einen Kurs zwischen 1 und 1.05 Franken. Der Euro werde jedoch volatil bleiben, warnte er und verwies auf die Situation im verschuldeten Griechenland oder den Konflikt in der Ostukraine.

Bis etwa Anfang Februar habe die Nationalbank wiederholt in den Geldmarkt eingegriffen, um den Franken zu schwächen. «Seither musste sie anscheinend nichts mehr machen, und das ist positiv.» Ändern könne sich das allerdings, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) im März mit den angekündigten Käufen von Staatsanleihen beginne.

Negativzinsen tun einigen weh

Allmählich Wirkung zeigen auch die von der Nationalbank beschlossenen Negativzinsen. «Es ist zu beobachten, dass die Negativzinsen einigen Investoren weh tun», sagt Bolz. Doch auch wenn sich die Lage seit dem Entscheid der Nationalbank beruhigt habe: Neue Bewegungen seien nicht ausgeschlossen.

Und noch ein Fragezeichen gibt es: die Umsetzung der SVP-Zuwanderungsinitiative. Der Bundesrat will mit der EU über eine Anpassung des Freizügigkeitsabkommens verhandeln. Nur wenn die Anpassung gelingt, soll die Einwanderung aus der EU mit Höchstzahlen und einem Inländervorrang geregelt werden.

Die EU äusserte sich in einer ersten Reaktion zurückhaltend. Die Parteien und Wirtschaftsverbände reagierten mehrheitlich kritisch.