Bern (sda). Zeitnot, Überstunden, Personalmangel, Tätigkeiten ausserhalb der eigenen Fachkompetenz, fehlende Unterstützung am Einsatzort: Das alles setzt den Auszubildenden in den Pflegeberufen zu. Nur 55 Prozent von ihnen sehen sich in zehn Jahren noch im gelernten Beruf.
Auch die eigene Einstellung zum Beruf kommt in der Pflegeausbildung oft zu kurz. In einer Umfrage der Gewerkschaft Unia gaben 55 Prozent der befragten Lernenden an, sie könnten nicht so pflegen, wie sie es gelernt haben und wie es ihren eigenen Anforderungen an eine gute Pflege entspricht. Dabei ist das angehende Pflegepersonal für den Beruf hochmotiviert. 85 Prozent sehen den Beruf als erfüllend und sinnvoll an. Das ändert aber wenig an den Schattenseiten.
Lehrlinge fühlen sich unterbezahlt
68 Prozent fühlen sich für ihre Arbeit unterbezahlt. 58 Prozent leisten regelmässig Überstunden, was für Lehrlinge eigentlich nur unter besonderen Voraussetzungen erlaubt ist. Hinzu kommen Nacht- und Wochenenddienste, denn für Auszubildende werden keine Zuschläge fällig.
41 Prozent der Befragten müssen Tätigkeiten ausüben, für die sie nicht qualifiziert sind. Das ist unter anderem auch für die Gepflegten gefährlich. Und 23 Prozent gaben an, nur ungenügend vom Fachpersonal begleitet zu werden.
Pfleger bleibt für Patienten kaum noch Zeit
Rebecca Scheck, Pflegefachfrau in Ausbildung, sagte, sie habe für die Körperpflege eines bettlägerigen Patienten gerade einmal 21 Minuten zur Verfügung. Da ticke die Stoppuhr im Hinterkopf dauernd.
Wie Adrian Durtschi, Projektleiter Langzeitpflege bei der Unia, sagte, lassen sich diese Probleme vielfach auf zwei gemeinsame Nenner zurückführen: Spardruck und Renditedenken. Und optimieren lasse sich in der Pflege hauptsächlich beim Personal, wo sowieso schon Notstand herrsche. Mit der grossen Zahl jener, die aus dem Beruf aussteigen wollten, verschärfe sich dieser zusätzlich: Bis ins Jahr 2030 rechnet man mit einem Mehrbedarf an Pflegepersonal von 160'000 bis 190'000 Personen. Zudem steht eine Pensionierungswelle an.
Für die Gewerkschaft ergeben sich aus dem Befund der ersten derartigen Umfrage klare Forderungen. Es müsse ein Ende des Renditedenkens und der Sparprogramme im Gesundheitswesen geben. Die Auszubildenden müssten bessere Löhne in der traditionellen Frauenbranche, fairere Arbeitszeiten und wie der Rest des Gesundheitspersonals allgemeingültige Arbeitsverträge erhalten. Mehr Personal, eine bessere Begleitung bei der Ausbildung sowie der bessere Schutz und mehr Kontrollen gehören zu den weiteren Forderungen der Gewerkschaft. Genauer ausformuliert werden die Forderungen an einem Pflegejugendgipfel im November.
Grosser Rücklauf auf Umfrage
Auf die Umfrage der Unia antworteten 1084 Auszubildende in den zahlenmässig wichtigsten Lehrgängen der Pflege. Diese Lehrgänge sind: Zweijährige Attestlehre zur Assistentin Gesundheit und Soziales, die zu Unterstützung bei Körperpflege, Essen und im Haushalt befähigt. Die dreijährige Lehre mit dem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis Fachperson Gesundheit ermöglicht hauswirtschaftliche, pflegerische und administrative Leistungen. Diese Berufsleute können etwa Medikamete verabreichen, Blutdruck messen oder Verbände wechseln.
Das dreijährige Studium zur diplomierten Pflegefachperson umfasst die ganze Palette. Diese Berufsleute sind für den gesamten Pflegeprozess zuständig. Das Studium erfolgt hälftig in der Schule und in der Praxis.