Bern (sda). Es sei in der Tat so, dass man zur Zeit zu wenig Lokführer bei der SBB habe, räumt Sprecher Reto Schärli auf Anfrage ein. Er bestätigte damit einen Bericht der «SonntagsZeitung», welche ein internes Schreiben publik gemacht hat. Konkret hat die SBB vor zwei Jahren vier bis sechs Lokführer-Klassen zu wenig ausgebildet. Laut Schärli sollte die Situation aber nicht überschätzt werden. «Ein kurzzeitiger Engpass ist nicht aussergewöhnlich, sondern manchmal unvermeidbar, weil wir nicht von allen Projekten Jahre im Voraus Kenntnis haben», erklärt Schärli. Zudem sei noch kein einziger Zug ausgefallen.
Dennoch kann Schärli den Unmut an der Basis gut verstehen. Im SBB-Intranet habe es an die hundert Kommentare von Lokführern gegeben. «An der heutigen Situation hat selbstverständlich niemand Freude.»
Engpass absehbar
Die Aussagen der SBB kann der Berufsverband der Lokomotivführer (VSLF) so nicht stehen lassen. «Es war seit Jahren absehbar, dass die SBB auf einen akuten Engpass zusteuert», erklärte Verbandspräsident Hubert Giger auf Anfrage. Grund dafür sei die Pensionierungswelle bei den Lokführern in den nächsten Jahren.
Ein paar Monate unterbelegt zu sein, sei nicht weiter schlimm, sagt Giger. «Wir gehen aber davon aus, dass dieser Engpass bis zu drei Jahre anhalten könnte.» Die Lokführer erwarten nun, dass die SBB auf sie zukommt.
Mehr Ausbildungsplätze
Manfred Haller, Leiter Zugführung bei der SBB, schlägt in dem Intranet-Beitrag 30 Massnahmen vor, damit die «akute Belastung» verringert werden könne. In einer ersten Phase will die SBB etwa kürzlich pensionierte Lokführer zurückholen und vorderhand keine neuen Teilzeitgesuche bewilligen. Daneben sollen Lokführer an «unterbesetzte Standorte ausgeliehen» werden und SBB-Kader mit Lokführerausbildung wieder vermehrt selber fahren.
Langfristig setzt die SBB auf mehr Ausbildungsplätze. 2015 sollen statt 107 neu 169 Lokführerinnen und Lokführer ausgebildet werden. Im Jahr darauf sind 194 geplant.