Luzern (sda). So sagte ein Arbeitskollege dem in der Verarbeitungsabteilung einer Fleischproduktionsfirma angestellten Tamilen im Juni 2012, er solle arbeiten und vorwärts machen. Darauf antwortet der Mann, dass er «abfahren und seine Arbeit machen soll». Das tat dieser nicht, sondern packte sein Gegenüber am Kragen und schüttelte es heftig. Es entstand eine Prügelei – im Beisein des Vorgesetzten, welcher der ganzen Szene beigewohnt hatte. In der Folge liess man die beiden Mitarbeiter nicht mehr am gleichen Arbeitsplatz arbeiten, und es wurde ihnen ordentlich gekündigt.
Beide arbeiteten zuvor in einer Abteilung, wo gefährliche Maschinen und scharfe Messer zu den Arbeitsinstrumenten gehören.
Kündigungsgrund Prügelei
Bei der Anmeldung bei der Arbeitslosenkasse gab der Tamile als Grund für die Kündigung die Prügelei an. Die Kasse strich ihm deshalb wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit 34 Taggelder, wogegen der Mann Beschwerde einlegte.
Die Arbeitslosenkasse und das Kantonsgericht Luzern wiesen die Beschwerde ab. Und auch die erste sozialrechtliche Abteilung des Bundesgerichts hat sie am Montag mit zwei zu einer Stimme abgelehnt. So sind gemäss der Mehrheit des Richtergremiums die Umstände rund um die Prügelei ausreichend geklärt worden. Und es gehe klar daraus hervor, dass das Verhalten des Beschwerdeführers zu seiner Kündigung geführt habe.
Dem Beschwerdeführer seien Handlungsalternativen offen gestanden, befand die Mehrheit. Der Tamile habe damit rechnen können, dass die Situation bei einem angriffigen Verhalten seinerseits eskalieren könnte. Damit liege das gemäss Gesetz geforderte Selbstverschulden aufgrund des eigenen Verhaltens vor.
Sachverhalt unvollständig
Anderer Auffassung ist Susanne Leuzinger, die Präsidentin der ersten sozialrechtlichen Abteilung. So ist für sie entscheidend, aber nicht ganz klar, was an jenem Sommertag 2012 genau geschah. Die Vorinstanz stützte sich bei der Erstellung des Sachverhalts vorwiegend auf eine nach der Prügelei von der Fleischproduktionsfirma erstellte Gesprächsnotiz.
Die Entgegnung des Tamilen an seinen Kollegen, dieser solle «abfahren und seine Arbeit machen», entspreche zwar keiner gepflegten Ausdrucksweise, so die Ansicht von Leuzinger. Der Angegriffene habe deshalb aber nicht mit einem tätlichen Angriff rechnen müssen. Besonders nicht in Anwesenheit eines Vorgesetzten.
Bei der Einstellung von Taggeldern reicht der im Sozialversicherungsrecht sonst übliche Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nicht. Vielmehr muss das einer versicherten Person zur Last gelegte Verhalten klar feststehen. Wie bereits die Vorinstanz in ihrem Urteil schrieb, «vermögen blosse Behauptungen des Arbeitgebers den Nachweis für ein schuldhaftes Verhalten der versicherten Person nicht zu erbringen».
Sowohl der Antrag von Leuzinger, den Entscheid des Kantonsgerichts aufzuheben und der Eventualantrag auf Rückweisung an die Vorinstanz zur Ausleuchtung des Sachverhalts wurden abgewiesen. (Sitzung vom 12.12.2015, 8C_582/2014)