Bern (sda). Besonders gefährdet ist laut einer repräsentativen Untersuchung der Universität Bern das Personal in der Westschweiz und im Tessin, wie aus einer Mitteilung des Schweizerischen Nationalfonds vom Dienstag hervorgeht. Im Konkordat der Lateinischen Schweiz sind rund 18,3 Prozent des Personals Burnout-gefährdet, während es in den Anstalten des Konkordats Nord-West 7 Prozent und im Konkordat Ost 6 Prozent der Angestellten sind.
Auch die Arbeitszufriedenheit und die Verbundenheit mit dem Arbeitgeber sind in der Westschweiz und im Tessin, wo Gefängnisse besonders überbelegt sind, geringer.
Belastende Aufgabe
Den Grund dafür sehen die Verantwortlichen der Studie darin, dass die Mitarbeitenden dort ihr Arbeitsumfeld als negativer wahrnehmen. So erleben sie etwa die Zusammenarbeit mit Vorgesetzten als weniger gut oder beklagen mangelnde Selbstbestimmung oder übermässigen Spardruck. Der Zusammenhalt unter Kolleginnen und Kollegen wird in der Westschweiz hingegen positiver wahrgenommen.
Die hohe Belastung zeigt sich auch bei den Absenzen. Die Gefängnisangestellten sind zwar nicht häufiger, aber durchschnittlich länger krank als Beschäftigte in anderen Berufsfeldern, wie Studienleiter Ueli Hostettler vom Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Bern auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda sagte.
39 Prozent der Befragten gaben an, in letzter Zeit mehr als drei Tage bei der Arbeit gefehlt zu haben, bei Beschäftigten in anderen Branchen sind es nur deren 33 Prozent. 90 Prozent hingegen schätzten ihre Gesundheit als gut ein, und nur 2 Prozent bewerteten ihren Gesundheitszustand als schlecht.
«Die Belastung des Personals ist stark verbunden mit der Aufgabe, wie in vielen Berufen, in denen die Arbeit mit Menschen im Zentrum steht», erklärt Hostettler. Je nach Haftregime zeigen sich auch da Unterschiede. Am höchsten ist die Belastung in der Untersuchungshaft, wo laut Hostettler oft ein «besonders ungünstiger Personalschlüssel und enge Platzverhältnisse» anzutreffen sind. Ausserdem kommt es bei den Insassen zu häufigen Wechseln, was es dem Personal erschwert, Arbeitsbeziehungen zu den Gefangenen aufzubauen.
Mittelmässig belastend ist laut der Untersuchung die Arbeit im Strafvollzug. Am wenigsten belastend ist die Tätigkeit im Massnahmenvollzug, wo meistens mehr Personal auf einen Insassen kommt.
Die Mehrheit der Befragten erlebt das Arbeitsumfeld aber grundsätzlich als positiv und die an sie gestellten Anforderungen als angemessen. Rund ein Drittel fühlt sich über- oder unterfordert.
Wenig Anerkennung
61 Prozent der im Justizvollzug Tätigen leiden auch unter mangelnder Anerkennung, wie die Erhebung zeigt. Vor allem von den Medien fühlen sich viele Mitarbeitende unfair behandelt. Viele hielten die Berichterstattung über den Strafvollzug für undifferenziert und verkürzend, sagt Hostettler. Den Medienschaffenden fehle es oft an Wissen und Verständnis für die Art der Arbeit. Zudem werde der Justizvollzug nur dann erwähnt, wenn etwas schief laufe. «Viele Mitarbeitende fühlen sich quasi zu Sündenböcken degradiert.»
Doch auch von der Politik wünschen sich Gefängnisangestellte mehr Engagement. Oft erhalte ihre Arbeit bei den politisch Verantwortlichen nur bei Notständen Aufmerksamkeit. «Wichtig wäre vor allem ein nachhaltigeres Interesse für die Anliegen des Vollzugs», resümiert Hostettler.
Überdurchschnittlich zufrieden
Dennoch attestiert das Forschungsteam um den Sozialanthropologen dem Personal im Strafvollzug eine hohe Arbeitszufriedenheit. 82 Prozent der Befragten gaben an, mit ihrer Arbeit glücklich zu sein. Verglichen mit anderen Arbeitnehmenden ist dies ein hoher Wert, denn 2012 waren laut HR-Barometer rund 77 Prozent der Beschäftigten aller Branchen mit ihrem Job zufrieden. Nur 3 Prozent der befragten Gefängnismitarbeiter sind unzufrieden mit ihrer Tätigkeit.
Für die gesamtschweizerisch repräsentative Untersuchung befragte die Forschungsgruppe zwischen 2010 und 2012 rund 1880 Personen, die in 84 Institutionen des Freiheitsentzugs arbeiten. Ein Viertel der hauptsächlich männlichen Befragten arbeitete laut eigenen Angaben früher im handwerklichen Sektor, ein Zehntel im Sicherheitsbereich. Derzeit sind gesamthaft rund 4200 Personen im Strafvollzug tätig.